Angedacht
Vor kurzem war ich mit Freunden an der Mecklenburgischen Seenplatte im Urlaub Kanu fahren. Eines Nachmittags landeten wir an der Schlossinsel Mirow an und besuchten die ev. Schlosskirche – ein schöner, heller Bau. Neugierig gingen wir durch einen unscheinbaren Durchgang und fanden uns plötzlich vor einer großen verschmutzten Plexiglasscheibe wieder. Dahinter befand sich die letzte Ruhestätte der Großherzöge von Mecklenburg-Strelitz: ein Raum voller durcheinander gestellter Metallsärge von jungen Prinzen und Großherzoginnen. Der Raum war mehr eine Abstellkammer – von einer würdevollen Grablege keine Spur.
Da kam mir der bekannte Spruch in den Sinn: „Man ist erst tot, wenn niemand mehr an einen denkt.“ Ich wurde nachdenklich. Denn wenn das wirklich stimmt, dann sind alle Prinzen hier wirklich so richtig tot, oder er ist falsch. Nein, der Spruch muss falsch sein, denn wie oft passiert es, dass ich nicht an meine verstorbenen Großeltern oder Urgroßeltern denke? Was ist mit denen, die einsam sterben? Tod. Ende. Aus. Amen?
Nein, dachte ich, das darf nicht sein. Denn wenn wir an einen lebendigen Gott glauben, dann gibt es mehr. Dann muss es mehr geben: ein Leben bei Gott– auch und gerade für die, an die sich niemand mehr erinnert. Wenn das nicht so ist, ist dieser Gott auch nicht lebendig.
Mich macht diese Perspektive frei. Sie erleichtert mich. Denn ich muss mich nicht mehr krampfhaft erinnern und festhalten, sondern ich darf loslassen und darauf vertrauen, dass unsere Lieben bei Gott geborgen sind – für immer...
Ihr Pastor Simon Binger